Einem rund dreißigköpfigen Publikum stand vergangene Woche der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland, in Neuenstadt-Stein für Fragen zur Europapolitik zur Verfügung.
Rainer Wieland in Neuenstadt In seinen Begrüßungsworten umriss der Vorsitzende der CDU Neuenstadt, Markus Schuster, die momentanen Krisenherde innerhalb und außerhalb Europas und lud die Gäste zum kritischen Mitdiskutieren ein.
In seinem Grußwort unterstrich der Bundestagskandidat für den Kreis Heilbronn, Alexander Throm, die Bedeutung der europäischen und transatlantischen Bindungen der Bundesrepublik. Gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen in Russland und der Türkei sei die EU als Garant für Frieden, Stabilität und Wohlstand unverzichtbar. Der gemeinsame Weg der Europäer könne jedoch nicht in einer Vereinheitlichung enden. Jedes Land habe eine eigene Verantwortung und in diesem Rahmen auch Anspruch auf ein solidarisches Miteinander. Gerade Deutschland habe ein besonderes Interesse an dem Erhalt der EU. Nur so sei eine Konzentration auf das Wesentliche möglich. Konkret nannte Throm die Grenzsicherung, die Flüchtlingskrise und die grenzüberschreitende Kriminalität. Zugleich kritisierte er in den aktuellen Debatten den Umgang mit Europa. Die EU sei für viele Menschen ein Stück weit zu selbstverständlich geworden. 2017 sei ein Schicksalsjahr für Europa - die Wahl in den Niederlanden sei uns allen eine Warnung gewesen. Unsere Zukunft stünde auf dem Spiel, lies man die Populisten obsiegen. Die beste Versicherung dagegen ist eine starke CDU mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin.
In die gleiche Kerbe schlug der Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der CDU Heilbronn, Dr. Bernhard Lasotta. Die EU beeinflusse uns mehr als wir denken. Wie kein zweites Land profitiere Deutschland vom gemeinsamen Binnenmarkt und dem europäischen Frieden. Gemeinsame Werte tragen die EU, genauso wichtig ist aber der Erhalt der kulturellen Identität der europäischen Völker als Garanten der Akzeptanz des europäischen Projekts. Scharf kritisierte Lasotta den Brexit. Alleine in Baden-Württemberg würden 2000 Gesetzesänderungen nötig, die Folgen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit seien noch gar nicht abschätzbar. Der vermeintliche „Gewinn“, das eigene Land vor Überfremdung zu schützen, werden schnell zum Bumerang werden, wenn Investitionen ausbleiben, so Lasotta. Zuletzt geißelte Lasotta die SPD, die Deutschland schlecht rede, um sich als Alternative zu verkaufen.
In seinem Vortrag lobte Rainer Wieland die Standfestigkeit der Bundeskanzlerin. Gerade in der Zeit der Krisen und der damit verbundenen schnelllebigen Diskussionen benötige man Orientierung und einen festen Stand in der Mitte. Wieland forderte das Publikum auf, die Globalisierung im Interesse Europas mitzugestalten, da diese nicht wegzudrücken sei. Zugleich betonte er die Folgen der Digitalisierung. „Heutzutage wissen die Menschen, wo der Wohlstand wohnt“, so Wieland in Bezug auf die Lage in Afrika und die Flüchtlingskrise. Daraus ergebe sich eine Gestaltungsnotwendigkeit für uns. Die Gleichzeitigkeit der Krisen aber verängstige die Menschen. Umso wichtiger sei eine starke EU, die die Menschen als preiswerte Versicherung für Frieden und Sicherheit verstehen dürfen. Den immer wieder erhobenen Vorwurf, Deutschland sei der Zahlmeister der EU, wies Wieland energisch zurück. Die Deutschen zahlten pro Kopf weniger als die Luxemburger oder – trotz Briten-Rabatt- die Engländer und weniger als für den Länderfinanzausgleich. „Europa werde im Alltag verraten“, so ein nachdenklicher Wieland. Zugleich mahnte Wieland mehr Pragmatismus bei der Gestaltung Europas an. Wieland verteidigte den Beitritt Rumäniens und Bulgariens 2007 als in der historischen Stunde alternativlos. Kritisch äußerte sich Rainer Wieland zur Türkei, die auf ihrem bedauerlichen Weg sehr viel zu verlieren habe. Insgesamt mahnte der Vizepräsident des Europäischen Parlaments bei Sachdebatten mehr Gelassenheit und Augenmaß an. Die Zahlungen an die Türkei für den Flüchtlingsdeal erschienen zwar groß, seien aber auf den Einzelnen heruntergebrochen deutlich billiger als eine Beibehaltung des alten Zustands. Zuletzt verwies Wieland auf die Bedeutung der Bekämpfung der Fluchtursachen. Die Europäer beschäftigen sich nicht ausreichend damit und handelten all zu oft zu kurzsichtig, so Wieland zum Schluss.
In seinen Schlussworten unterstrich der Vorsitzende der JU Neuenstadt-Kocher-Jagst, Andreas Hackel, die Bedeutung des Dialogs und der kritischen Reflexion gerade in Zeiten des Blühens alternativer Fakten. Europa dürfe nicht an Vereinfachungen und Abschottung scheitern.
Der Abend klang in gemütlicher Runde bei angeregten Diskussionen aus.